Das Montreux Jazz Festival hat weniger das Alter der Vernunft gefeiert, als eine Reife, die sich zwischen dem Beginn seiner Geschichte und dem Verfolgen seiner verrücktesten Träume einordnen lässt. Diese 50., in die Zukunft gerichtete Ausgabe hat ca. 240‘000 Besucher angezogen und war mit einer soliden Programmgestaltung ausgestattet – auch die Sonne war sehr oft mit von der Partie – gespickt mit Anspielungen auf die Wurzeln des Festivals und vor allem verkörpert durch die Konzerte und eine bemerkenswerte Soundqualität.
Mit seiner feinen Programmgestaltung und seinen zahlreichen Spezialprojekten hat dieses Jubiläum nicht nur Aktuelles erzählt, sondern auch seine musikalische, technologische und soziologische Geschichte; jene Geschichte des Ortes Montreux, besessen von der Verwirklichung eines Gründertraums: dass Künstler aus der ganzen Welt an diesen kleinen Ort, am Ufer des Genfersees gelegen, kommen. Gestützt auf dieses Erbe ist das Festival heute voller Kraft und verändert sich weiter. Während dem Übergang zum 50. Jahr scheint das Festival gut gerüstet, um auch in Zukunft zu bestehen, mit seiner seit jeher bestechenden Originalität: ein ungewöhnliches Format; ein unglaubliches Schicksal; künstlerische Ambitionen, die es zu einer Veranstaltung machen, die innerhalb der Welt der Musikfestivals eine solide Position einnimmt und sich durch ihre Programmgestaltung unterscheidet; fähig, sich zu erneuern und aufmerksam, wenn es um die Belange von Künstlern und Publikum geht.
In diesem Jahr hat sich der Sommer während drei Viertel der Veranstaltung von seiner besten Seite gezeigt, mit einer geschätzten Besucherfrequenz von ca. 240'000 Personen, trotz der 5 Tage mit zum Teil starken Regenfällen. In den sehr stark frequentierten Sälen wurden 95’000 Tickets verkauft, auf 16 Tage + einem Eröffnungsabend im Casino.
Wenn der kreative Esprit des Jazz nicht gerade vorne auf der Bühne war, so wurde er durch die künstlerischen „Acts“ ausgestrahlt, welche dieses Jahr in Montreux stattgefunden haben. Begonnen hat es mit Charles Lloyd und Monty Alexander, die im Casino Barrière in Montreux den (ersten) Ton angegeben haben. Im Backstage-Bereich und auf der Bühne war seit dem ersten Tag klar, wer zu den Stammgästen des Festivals gehört: Buddy Guy, ZZ Top, Van Morrison, Simply Red, und Santana. Zwei ganz unterschiedliche Ikonen kamen beide zum zweiten Mal: Neil Young hat seine Zuschauer während einem dreistündigen Konzert begeistert, indem er - in einem vollen Saal - mit viel Emotionen für die Verbindung aller Generationen gesorgt hat. Muse hat zahlreiche, seit zehn Jahren nicht gespielte Stücke zum Besten gegeben und hat ihren Auftritt in einer Art karnevaleskem Spektakel, dem Jubiläum entsprechend, beendet. Andere haben eine Welt aufgezeigt, in der man sich in eine fragwürdige Richtung bewegt: Anohni, genauso überraschend wie fordernd; eine tröstliche Patti Smith, die zu einem Publikum gesungen hat, das schon einfach von der Präsenz der Künstlerin erfüllt war; Durch ihre Hommagen an all die Verschwundenen, von denen man nichts weiss, hat Patti Smith das Publikum aufgewühlt. PJ Harvey hat ein musikalisch-erzählerisches Konzert gegeben. Sigur Rós hat seine atmosphärischen Klänge mit Talent dem Publikum weitergegeben und Angélique Kidjo und ihre Gäste haben zu diesem Anlass im Rahmen einer speziellen Kreation einen ganzen Kontinent und die Weiblichkeit gefeiert. Lana Del Rey hat auf Wunsch ihrer Fans zum ersten Mal einige Noten ihres Songs “Salvatore” a cappella gesungen.
Im Montreux Jazz Club hat die lebhafte Jugend des Jazz mit Alfredo Rodriguez, Christian Scott und Cécile McLorin Salvant ein besonderes Echo ausgelöst, ohne den ehemaligen Weggefährten von Miles Davis die Show zu stehlen: Darryl Jones, Bill Evans, Dennis Chambers und Dean Brown. Enge Freundschaften waren auch zu beobachten beim Duo Barron-Holland sowie bei Ernest Ranglin und Co.
Im Montreux Jazz Lab - mit einer genauso einwandfreien Soundqualität - haben Flume, Moderat, Beirut, Feu! Chatterton, M83 sowie ein unglaublich schalkhafter Mac Demarco das Publikum in Begeisterung versetzt. Entdeckungen wie Max Cooper, Jeanne Added, Mura Masa, Ry X, Vald, Son Lux oder Rag'n’Bone Man standen dem in nichts nach.
Die Rückkehr ins Casino Barrière stellte eines der Kernelemente dieser 50. Ausgabe dar. Die Pool Parties haben den berühmten Pool mit Leben erfüllt; ganz wie in alten Zeiten konnte man jeden Samstag in Badesachen und zu DJ Sets die Hüften bewegen…
Der Strobe Klub - die neue Höhle elektronischer Musik - hat mit besonders überzeugenden Dj- Sets grossen Erfolg gehabt: Nina Kraviz, Rødhåd oder The Black Madonna sowie live Several Definitions und Maceo Plex.
Die in Music in the Park vorgenommenen baulichen Veränderungen haben sich als überzeugend erwiesen, obwohl die neue Infrastruktur in Bezug auf Schatten noch nach einer besseren Lösung verlangt, wurde dieser zuvor jeweils von den Bäumen geschaffen, welche – krank und gefährlich für das Publikum – einige Tage vor Beginn des Festivals gefällt werden mussten. Die Silent Disco hatte einen derartigen Erfolg, dass heute Abend, Freitag 15. Juli, eine zweite, improvisierte Ausgabe stattfinden wird.
Die Aftershows im vergrösserten Rock Cave haben über die Tage hinweg ihr Publikum gefunden. Dieser Ort bietet nunmehr eine spezielle Aftershow-Ambiance, als Alternative zur elektronischen Musik. Das Festival feilt an einem Plan für 2017, um einen neuen Ort anbieten zu können, der den Erwartungen anderer Zielpublika gerecht wird. Gesamthaft waren auf diesen zwei Bühnen 109 Künstler zu bestaunen, d.h. bei 75 Konzerten in Music in the Park sowie 46 Konzerten im Rock Cave (inklusive Dj’s).
Bei den pädagogischen Projekten, den Workshops, den Kreationen und den Wettbewerben gab es einen Rekordandrang. Zu den Preisträgern der Wettbewerbe gehören der Amerikaner Esteban Castro, der erst 13 Jahre alt ist und die Parmigiani Montreux Jazz Piano Solo Competition gewonnen hat; der Finne Olli Hirvonen, der die Socar Montreux Jazz Electric Guitar Competition für sich entschieden hat, sowie die Litauerin Arta Jekabsone, bei der Shure Montreux Jazz Voice Competition brillierte. Der Zürcher Philipp Saner, aka Silent Neighbor hat den Prix du Public UBS gewonnen. Alle Preisträger nehmen an der 3. Montreux Jazz Academy teil, welche vom 18. bis 26. November 2016 stattfindet.